Die Zeiten, die wir als Christen momentan erleben, sind alles andere als normal. Inmitten aller Einschränkungen versuchen wir weiter unseren Glauben zu leben und ihn auf verschiedene Art und Weise zum Ausdruck zu bringen.
Seit einigen Tagen läuft ein ökumenisches Geläut um 19.30 Uhr für 10 Minuten an unterschiedlichen Orten. Christinnen und Christen aller Konfessionen verbinden sich so in der Tradition des (evangelischen) „Vater-Unser-Läutens“ und des (katholischen) Angelusläutens zum gemeinsamen verbindenden Gebet und tragen so die Welt vor Gott.
Dazu kommen immer wieder neue Ideen und Anfragen nach Geläuten in unseren Gemeinden der Pfarrgruppe Rockenberg.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und auf den historischen Hintergrund des „Angelus Domini“ hinweisen, um seine Bedeutung für unsere Zeit wieder neu zu entdecken. Wo kommt diese Tradition eigentlich her und wo ist sie verwurzelt?
Ihren Ursprung verdanken wir dem Hl. Franziskus von Assisi. In den im XIII Jahrhundert geführten Kreuzzüge-Zeiten, wollte Franziskus auf friedliche und gewaltlose Art die Muslimen im Orient für Christus gewinnen. So gelangte er sogar zum Sultan in Ägypten. Während mehrerer Tage predigte Franziskus dem Sultan und seinen Leuten über den Glauben an Christus. Sie hörten ihm sehr aufmerksam zu. Obwohl Franziskus offensichtlich Eindruck machte, erreichte er sein eigentliches Ziel aber nicht: weder die Bekehrung des Sultans, die er erhoffte, noch den Frieden zwischen Christen und Muslimen.
Franziskus konnte aber in dieser Zeit die Spiritualität und Gebetsformen im Lager des Sultans kennenlernen. Die dort von ihm erlebte Gebetsform:„salat“ hat ihn so beeindruckt, daß er den Brauch in abgeänderter Form im Abendland einführen wollte. Nach seiner Rückkehr nach Italien begann er den islamischen Brauch der „salat“ dem Christentum anzupassen und überall zu verbreiten (das Angelus‐Läuten gab es allerdings damals noch nicht). Das ganze Volk sollte zu bestimmten Zeiten zum Gebet gerufen werden. Das universale Gotteslob ist die gemeinsame Zielsetzung. Dieses Gotteslob soll Gläubige auf „der ganzen Erde“ verbinden und nicht trennen.
Unter vielen angebotenen Geschenken seitens des Sultans wählte Franziskus ein Horn aus, das dazu diente, die Leute zum Gebet zu rufen, wie es die Muezzin taten.
So wurde der Brauch in der katholischen Kirche geboren, dreimal am Tag zu läuten und das Gebet „Der Engel des Herrn“ zu beten.
Ich lade auch Sie zu diesem Gebet ein. Das, was unser Weihbischof Udo Benzt als Martinsglocke nennt und worauf die evangelischen Schwestern und Brüder mit dem Läuten und mit dem Vaterunsergebet verweisen, greift auf die franziskanische, katholische und zugleich ökumenische Tradition aus dem XIII Jahrhundert zurück.
Wenn Sie das Geläute am Morgen, am Mittag (12 Uhr) und am Abend (18 Uhr) hören, dann denken Sie daran und beten Sie zu dieser Zeit den „Engel des Herrn“ (im „Gotteslob“ Nr. 3, Abschnitt 6) oder auch ein anderes von Ihnen bevorzugtes Gebet zum Lob des Herrn und als Zeichen unserer Verbundenheit in einem Glauben an Jesus Christus.